<p><span class="">EIN GESPRÄCH ÜBER DIE NEUE ROLLE DER IT</span></p>
IT hat heute eine andere Rolle als noch vor wenigen Jahren: War sie einst ein reiner Kostenfaktor, entwickelt sie sich immer mehr zum Gestalter neuer Geschäftsmodelle. IT auf ihre Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg vorzubereiten – das ist das Ziel der New School of IT. Denn IT-Verantwortliche gehören an den Tisch, an dem die Unternehmensleitung die Entscheidungen trifft. Die New School of IT kombiniert Strategien, Maßnahmen und Technologien, mit denen sie diesen Prozess der Veränderung gestalten.
Dirk Müller übernahm im November 2021 die CIO-Rolle beim Wohnungsunternehmen VIVAWEST. Mit seinem Team wird er die IT als Gestalter und Enabler positionieren, um für die Herausforderungen und Opportunitäten der Zukunft innerhalb der Wohnungswirtschaft gerüstet zu sein.
Prof. Dr. Volker Gruhn gründete 1997 die adesso SE mit und ist heute Vorsitzender des Aufsichtsrats. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Software Engineering an der Universität Duisburg-Essen.
VOLKER GRUHN: Wer über die neue Rolle und die neue Verantwortung der IT nachdenkt, kommt vielleicht nicht sofort auf die Wohnungswirtschaft. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Dinge hier etwas langsamer verändern als in anderen Branchen. Aber wir stellten in den letzten Wochen und Monaten fest, dass diese Entwicklungen auch bei euch voll durchschlagen.
DIRK MÜLLER: Natürlich bauen Wohnungsunternehmen nicht für die nächsten fünf Monate, sondern denken und handeln eher in Jahren und Jahrzehnten. Das Geschäft ist langfristig und nachhaltig angelegt. Die Fachleute aus der IT haben bisher im Hintergrund dafür gesorgt, dass die Prozesse und Systeme laufen. Aber wichtige Digitalisierungsinitiativen an zahlreichen Stellen im Unternehmen zeigen, dass hier ein Umdenken einsetzt. Zum Beispiel wächst die Bedeutung der Services rund um das Vermieten oder der Digitalisierung unserer Gebäude. So rückt zum Beispiel das intelligente Energiemanagement in den Fokus. IT kommt aus meiner Sicht eine veränderte Rolle zu. Mit unserem Fachwissen und unseren Angeboten leisten wir einen Beitrag dazu, dass Fachabteilungen und IT gemeinsam die Services liefern können, die der Markt verlangt – und gleichzeitig die operative Exzellenz sicherstellen.
VOLKER GRUHN: Eine typische Situation: Auf der einen Seite also die klassische Unternehmens-IT mit Bestandsführungs- und ERP-Systemen, auf der anderen Seite müssen die Expertinnen und Experten die Digitalisierung beziehungsweise neue Themen vorantreiben. Das Thema greifen wir in unserer Vorstellung einer New School of IT unter dem Schlagwort „Ambidextrous Attitude“ auf. Also das Zusammenspiel der Rollen von Chief Information Officer und Chief Digital Officer. Beide Rollen gemeinsam gestalten den digitalen Wandel.
DIRK MÜLLER: Das ist eine der Schnittstellen, die über Erfolg und Misserfolg dieses Wandels in einem Unternehmen entscheiden. Beide Seiten – Zuverlässigkeit und Exzellenz im Tagesgeschäft, kombiniert mit Kreativität und Risikobereitschaft beim Entdecken digitaler Möglichkeiten – gehören dazu. Erst dann entfaltet IT ihre Schlagkraft. Ich weiß aus meiner beruflichen Vergangenheit in anderen Unternehmen, dass die unterschiedlichen Anforderungen immer wieder für Spannung sorgen. Einen CDO gibt es bei VIVAWEST allerdings nicht. Das Thema der Digitalisierung wird nicht in der IT, sondern im Bereich Strategie verantwortet. Was uns hier hilft: Unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Strategiebereich entwickelten eine gute und handhabbare Digitalisierungsstrategie. Das ist aus IT-Perspektive das A und O für die Umsetzung.
VOLKER GRUHN: Was macht die Handhabbarkeit aus?
DIRK MÜLLER: Die Strategie besteht nicht aus schillernden PowerPoint-Folien. Sie ist so konkret und handlungsorientiert, dass wir in der IT damit arbeiten können. Dazu gehören auch Themen, die unsere Kernaufgaben betreffen. Das, was ich mit dem Schlagwort „Tagesgeschäft“ überschrieb. Beispielsweise indem wir Rahmenbedingungen und Prozesse schaffen, um schneller auf Anforderungen reagieren zu können.
VOLKER GRUHN: Gespräche über Ambidextrie landen über kurz oder lang bei Cloud-Konzepten. Die beiden Themen liegen eng beieinander. Wie ist der Diskussionsstand hier bei euch?
DIRK MÜLLER: Bisher nutzen wir noch relativ viele On-Premises-Lösungen. Aber auch hier setzt unsere IT-Strategie neue Impulse. Sie definiert Cloud als Architekturvorgabe für unsere IT. Das bedeutet für uns: Das einfache Verschieben von Anwendungen in die Cloud reicht nicht. Mehr Flexibilität, mehr Agilität und Vorteile im Betrieb realisieren wir nur, wenn wir die Cloud von Anfang bis Ende konsequent mitdenken. Also all das, was die New School of IT unter „Cloud Native Thinking“ versteht. Unsere Standardeinstellung in Zukunft wird sein: „Cloud, warum denn nicht?“ Aber wie fast immer geht es weniger um das Einführen von Technologien, sondern um das Verändern von Bewusstsein.
VOLKER GRUHN: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir tun gut daran, den Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen zu erklären, wie die Philosophie in der IT ist und worin beispielsweise die Vorteile der Cloud-Nutzung bestehen. Da sehe ich uns IT-Fachleute in einer Bringschuld. Mangelnde Akzeptanz ist eine der Hürden beim Umsetzen neuer Ideen. Wer Cloud-Technologien nutzen will, muss Mitarbeitende mitnehmen. Veränderung funktioniert nicht auf Knopfdruck.
DIRK MÜLLER: Was dazu gehört, ist diese Lust an der Veränderung. Und diese Lust können wir in den Organisationen wecken. Menschen müssen verstehen, welches Potenzial in neuen Technologien zum Beispiel für das Optimieren von Prozessen steckt. IT muss die Chancen erkennen, die sich hier eröffnen. Damit einher geht die Bereitschaft, als Einzelner, als Team oder als ganzer Bereich Verantwortung übernehmen zu wollen. Da muss so manche IT-Abteilung raus aus ihrer Komfortzone.
VOLKER GRUHN: Das betrifft nicht nur die IT-Abteilung, sondern die ganze Organisation. Unternehmenserfolg ist immer häufiger auch IT-Erfolg. Denn neue Geschäftsmodelle oder bessere Prozesse beruhen auf dem Einsatz von Daten. Der Umgang mit Daten, also das Sammeln, Verdichten, Auswerten, Visualisieren und Bewerten, ist die Quelle für neue Ideen. Das funktioniert nur, wenn Domänenfachwissen und IT-Know-how zusammenkommen. Die Expertinnen und Experten müssen Abteilungsgrenzen überwinden, sich aufeinander zubewegen.
DIRK MÜLLER: Genau mein Punkt. Veränderung kommt durch Machen.
Hören Sie rein – unser Podcast zum Thema „New School of IT“Sie wollen mehr über das Thema erfahren? Dann empfehlen wir Ihnen diese Folge unseres adesso‑Podcasts „IT-Tacheles“. Prof. Dr. Volker Gruhn und Dirk Müller, CIO VIVAWEST, diskutieren über die neue Rolle der IT – und die Lust an der Verantwortung.