<p>MOBILE RETTER <br>LEBENSRETTUNG</p>
Bei wenigen IT-Projekten geht es um Leben und Tod. Bei der Arbeit für Mobile Retter schon. Alle acht Minuten greift sich in Deutschland jemand an die Brust und bricht zusammen. Diagnose: Herz-Kreislauf-Stillstand. Über 70.000 Menschen, Jahr für Jahr. Mit jeder Sekunde ohne Wiederbelebungsmaßnahmen sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit – in einer Minute um zehn Prozent. Für 90 Prozent von ihnen kommt – im wahrsten Sinne des Wortes – jede Hilfe zu spät.
Mobile Retter ist dabei, das zu ändern. Denn es gibt genug qualifizierte Personen, die die kritische Phase bis zum Eintreffen des Rettungswagens überbrücken können. Ob Mitarbeitende aus dem Katastrophenschutz, vom DLRG, Studierende der Medizin, Krankenpflegende oder die Feuerwehrfrauen und -männer: Wer in der Nähe wäre und von der Notsituation wüsste, könnte helfen. Dieses „könnte“ ließ Rettungsarzt Dr. Ralf Stroop keine Ruhe. Er wollte Ersthelferinnen und -helfer in den entscheidenden ersten Minuten an den Ort des Geschehens bringen. Seine Waffen: Smartphones – und ein Hightech-Alarmierungssystem, das intelligent Einsätze koordiniert. Sein Ziel: professionelle Ersthelfende in fünf Minuten vor Ort haben. Ein paar Jahre später hilft seine Idee Menschen in München ebenso wie in Barcelona. Über ein Start-up mit einem etwas anderen Geschäftsmodell: Leben retten.
Manche Ideen sind so offensichtlich, dass sich rückblickend die Frage stellt, warum niemand früher darauf kam. Als Dr. Ralf Stroop erst durch das heranrückende Blaulicht auf einen Notfall in seiner Nachbarschaft aufmerksam wurde, hatte er so eine Idee. Hätte der Facharzt für Neurochirurgie und Notfallmedizin nur von der Notsituation unmittelbar nebenan gewusst, er wäre in nur wenigen Augenblicken vor Ort gewesen, um zu helfen. Er hätte mit den lebensrettenden Maßnahmen deutlich früher beginnen können als das Rettungsdienst-Team. Mobile Retter war geboren.
In der Praxis sieht das so aus: Arbeitet eine Gebietskörperschaft mit Mobile Retter zusammen, integriert sich das System nahtlos in die bestehende Rettungskette bei Notfällen. Das Melden eines Herz-Kreislauf-Notfalls erfolgt klassisch über die Wahl der Notrufnummer 112. In der Leitstelle löst dann ein einfacher Knopfdruck eine Reihe von Ereignissen aus: Die Software der Leitstelle überträgt alle Informationen an das System von Mobile Retter. Dieses fragt automatisiert die Ersthelfenden an, die am schnellsten und vor dem Rettungswagen am Einsatzort sein können. Wer die Anfrage übernimmt, erhält die Daten des Notfalls auf das Smartphone. Eine App steuert den Ablauf – vom Navigieren bis zum Protokollieren des Einsatzes. Das alles mit Datenschutzstandards, die den hohen Anforderungen des Gesundheitsbereiches genügen.
So harmonisch arbeitete die Anwendung nicht von Anfang an. Ob das Registrieren und Verwalten von Ersthelfenden (Mobile Retter prüft und schult Interessentinnen und Interessenten sorgfältig) oder die Organisation der Zusammenarbeit mit den Kommunen und Körperschaften: Zu Beginn bestimmten individuelle Arbeitsweisen und Handarbeit das Bild. Markus Lünsmann, bei der adesso SE verantwortlich für den Bereich Microsoft, war begeistert von Mobile Retter. Er lernte das Projekt zufällig über Microsoft kennen. Der IT-Experte war sich sicher: Will Mobile Retter wachsen, braucht es ein sauberes technisches Fundament. Es bedurfte keiner großen Anstrengung, um sein Management zu überzeugen: adesso übernahm die medgineering GmbH. Das Unternehmen entwickelt die Software, auf der Mobile Retter aufbaut. Als adesso mit an Bord kam, stellten die IT-Expertinnen und -Experten die Lösung auf eine neue technische Grundlage. Für mehr Einheitlichkeit und Verlässlichkeit in den Prozessen sorgt ein Set von Microsoft-Plattformlösungen. Unter anderem Office 365, Dynamics CRM und die Azure Cloud Deutschland.
Schaue Sie es sich an – der WDR-Beitrag „Mobile Retter“Sie wollen mehr über das Thema erfahren? Die Sendung „Planet Wissen“ wirft in diesem Beitrag einen Blick hinter die Kulissen der Mobilen Retter. Hier geht’s zum Video
Das Ergebnis: im Durchschnitt 4:33 Minuten bis zum Eintreffen, über 20.000 Einsätze und über 11.000 ehrenamtliche „Mobile Retter“. Die Helferinnen und Helfer retten tagtäglich Leben. Mobile Retter funktioniert seit Jahren zuverlässig. Und es geht weiter: Wie helfen wir Unternehmen dabei, für mehr Sicherheit auf großen Werksgeländen zu sorgen? Wie lässt sich die Idee auf Bereiche wie den Katastrophenschutz übertragen? Das sind Fragen, mit denen sich die Expertinnen und Experten bei medgineering beschäftigen. „Bei Unwettern könnten die Verantwortlichen beispielsweise über das Mobile-Retter-Netzwerk Bauunternehmen erreichen. Deren schweres Gerät hilft dabei, Schäden zu beseitigen und Infrastruktur wiederaufzubauen“, skizziert Markus Lünsmann ein Szenario.
2013 setzte mit dem Kreis Gütersloh die erste Gebietskörperschaft auf Mobile Retter. Knapp neun Jahre später sind es rund 40 in Deutschland, unter anderem die Stadt München. In Summe leben über zehn Prozent der Bevölkerung in Mobile-Retter-Regionen. Auch im europäischen Ausland kommt die Idee an: Die Zeit bis zum Abflug nutzte Markus Lünsmann 2019 in Barcelona, um spontan die lokale Rettungsleitstelle zu besuchen. Die Idee überzeugte die Verantwortlichen schnell. Heute schützt Mobile Retter in Katalonien rund sieben Millionen Personen.
Schnittstellen entwickeln, Anwendende schulen, Funktionen hinzufügen, ausrollen und testen: Was auf dem Papier klingt wie ein normales IT-Projekt, ist für die Beteiligten eine echte Herzensangelegenheit. Eine, die das Potenzial hat, Menschen auf ganz unterschiedliche Weise zu helfen.
Als Initiative setzt sich der gemeinnützige Mobile Retter e. V. seit Anfang 2014 für die Verbreitung von Smartphone-basierten Ersthelfer-Systemen in Deutschland ein. Der Verein hilft Gebietskörperschaften (Kreise, Städte etc.) und den dort ansässigen Leitstellen bei der nachhaltigen Einführung und dem Regelbetrieb dieser Systeme. Nach mehrjähriger Pilotprojektphase und einer Vielzahl von bundesweiten Implementierungen verfügt der Verein über tiefgreifende Erfahrungswerte und Kompetenzen. So konnten Mobile Retter in den vergangenen Jahren bereits Dutzende Menschenleben retten.